Äthiopien Travel Report, November 2011, Teil 1 – von Sascha

Wow. Für mich ist es das erste Mal in Äthiopien und ich bin tief beeindruckt. Das Land ist unglaublich und überwältigend mit seinen Kulturen, seinen Menschen, den Landschaften und natürlich auch mit seinen hervorragenden Kaffeequalitäten, denen wir auf unserer Reise auf der Spur waren. Wir sind ein bunt durcheinander gewürfelter Haufen von Röstern, Rohkaffeeimporteuren und Shop Ownern aus Schweden, Norwegen, Tchechien und Deutschland.
Zurück in Addis nach 5 Tagen reisen, nach hunderten von Kilometern Dirt Road (und ich meine wirkliche Dirt Roads), nach einigen Cuppings, nach Weltklasse Kaffeeregionen wie Yirga Jeffe und Sidamo, nach Foodpoisonings, neuen geschlossenen Freundschaften und vielen Erlebnissen wissen wir, dass wir nur an der Oberfläche gekratzt haben. Für mich steht fest, das ist erst der Anfang einer neuen langen Beziehung.

1. Tag, 15. November 2011

Der Anfang unserer Reise bringt uns zur grössten Dry Mill und Coffee Processing Station von Addis. Hier kommen die Kaffees aus allen Regionen des Landes an. Sie werden in Säcken angeliefert, wobei sich der Rohkaffee immernoch im Parchment, also der Pergamenthaut, befindet.

Die Arbeit in der Dry Mill ist in mehrere Prozessschritte aufgeteilt. Die zu verarbeitenden Kaffees lagern nach ihrer Anlieferung immernoch in grossen Silos zwischen. Erst wird der Feuchtegehalt kontrolliert. Er darf nicht über 11% liegen. Eingelagerte Rohkaffees haben bei höheren Feuchtegehalten das Risiko der Pilz- und Schimmelbildung. Ausserdem gibt es natürlich Gewichtsdifferenzen, die bei unseren heutigen sehr hohen Rohkaffee Handelspreisen einen grossen Unterschied machen würden.

Äthiopien Kaffee

Der erste Prozessschritt ist das Entfernen des Parchments in einer Mühle. Die Rohbohnen werden dann auf Größe und Dichte mithilfe von Sieben und einer Rüttelmaschine sortiert. Mit dem Ziel, ein möglichst einheitliches Bohnenbild zu erhalten und die Qualitäten von einander zu trennen. Anschließend werden die Bohnen auf Fehler untersucht und von Hand ausgelesen. Diese Arbeit wird hier ausschließlich von Frauen verrichtet. Danach wird der Kaffee wieder in Säcke abgefüllt, bezeichnet, abtransportiert und der Rohstoffbörse ECX (Ethiopien Commodity Exchange) angedient.

Jedes einzelne Lot, das an die ECX geht, wird in Quantität und Qualität definiert. Dieser Prozess unterliegt staatlicher Kontrolle und wird von einer angeschlossenen Quality Control Entity umgesetzt. Samples von allen Rohkaffee Lots, die an die ECX gehen, werden hier auf Fehlermenge, Aufbereitung, Origin und Cuppingprofil untersucht. Das ist ein Grading Process. Grade 1 und Grade 2 sind für alle gewaschenen Kaffees bestimmt und alle weiteren 7 Grades werden den natural processed coffees (Naturals) zugeordnet.

Äthiopiens Kaffeeregionen unterteilen sich in Yirga Cheffe, Sidamo, Limmu, Jimma, Kaffa, Harrar, Tepi, Bebeka, Lekempti.

Wir hatten die Gelegenheit alle Kaffees der Regionen gegeneinander zu cuppen. Die Unterschiedlichkeit und Vielfalt der Samples war immens. Meine persönlichen Favoriten waren der gewaschene Yirga Cheffe und ein Sidamo Natural. Simply amazing coffees!

Hier im Cupping Lab wird durch die Coffee Graders entschieden, welche Kaffees in welchen Klassifikationen an die Börse gehen. Zum Beispiel ist ein gewaschener Sidamo ist ein “WSDA Grade 2”. Für uns Tres Cabezas ein sehr guter Kaffee, den wir gerne verwenden.

Im Anschluss an diesen interessanten Ausflug hatten wir Gelegenheit die ECX zu besuchen und am tatsächlichen Auktionsprozeß teilzunehmen. Cameras and other electronical devices sind strengstens untersagt. Ich versuche also umfassend zu beschreiben 🙂

Die ECX wurde 2008 ins Leben gerufen und wird seitdem gerade in der Kaffeewelt sehr kontrovers diskutiert. Die Pros sind hier ganz klar ein einheitliches Gradingsystem und eine Standardisierung der Kaffeequalitäten mit mehr Transparenz bei den Preisen für Käufer und Verkäufer, Importeure und Exporteure. Das größte Con wiegt natürlich schwer für die Specialty Coffee Community. Die über die Börse verkauften Kaffees sind niemals zurückverfolgbar und entspringen einem einheitlich gegradeten Kaffee einer Region. Micro Lots oder Farm Origins sind auf diesem Weg unmöglich zu bekommen. Die Details verlieren sich quasi im Standardisierungsprozess. In meinen Augen bringt die ECX die äthiopische Kaffeeproduktion und die durchschnittliche Kaffeequalität weiter voran. Transparenz bei den Zahlungsflüssen sind gut und wichtig in Richtung Farmer und natürlich auch in unsere Richtung.

So wird Äthiopien so zu einem sicheren Partner.

Einen vergleichbaren Schritt hat Costa Rica in den 80iger Jahren gemacht; mit dem Verbot vom Robusta Kaffeeanbau. Dabei ging es hauptsächlich um den Qualitätsverlust durch Mischen zweier Kaffeearten, die in der Aufbereitung nicht zusammen gehören. Es wurde auch eine Standardisierung durchgeführt, die im Anschluss Costa Rica weiter vorangebracht hat: als ein Land das für Specialty Coffee und Qualität steht. Obwohl ich mit dem noch heute bestehenden Verbot von Robusta persönlich nicht einverstanden bin, bin ich doch der Meinung, dass es für das Land zur gegebenen Zeit der richtige Schritt war.

Zurück zur ECX. Kaffeeproduzenten und Kooperativen, die ihren Kaffee der Börse angedient haben, besitzen also gewisse Kontingente, die vorher quantitativ und qualitativ bestimmt und “gegraded” wurden. An der ECX werden diese durch Auktion versteigert. Auf dem Trading Floor treffen sich Käufer/Exporteure (in brauner Kleidung) und die Produzenten (in grüner Kleidung) zur Auktion definierter Regionen und Qualitäten, also zum Beispiel eines “WSDA Grade 2”.

Da sich der physische Kaffee bereits im Kontigent der Börse befindet, geht es tatsächlich “nur” nur noch um Mengen und Preisdiskussionen. Die Verhandlungen werden mit ausschweifender Gestik und entsprechender Lautstärke geführt. Bis sich Käufer und Verkäufer einig sind, und sich den Handschlag geben. Große Displays mit den aktuellen Preisen der New Yorker Kaffeebörse, Preisen von bereits gehandelten Kaffees und der des Vortages dienen der Orientierung.

… to be continued